Unsere Blogs

Hier präsentieren wir eine Auswahl von Blogs aus den Fachgruppen des MMW-Bundesverbandes. Wir möchten besonders auf die "Dialog-Form" einiger Fachgruppen hinweisen. Wichtig an dieser Form: Das Gespräch mit der "Praxis". Natürlich sind auch die "Theoretiker" herzlich zum Dialog eingeladen. ... (Koordination und Redaktion: Gerd K. Schaumann)

18.6.21

Bedarf es jetzt einer neuzeitlichen Diskussion/Definition der Genossenschafts-Idee bzw. des Genossenschafts-Gedankens?

 

 

Kommentar / Antwort

Ihr führt derzeit eine für das gesamte Genossenschaftswesen „spannende“ und wichtige Diskussion, die wir mal – vorläufig – so zusammenfassen möchten:

·       Ist jetzt eine Art „Grundsatz-Diskussion“ notwendig, die das „Genossenschaftswesen“ von seiner – meist recht verklärten - „Geschichts-Romantik“ befreit und etwas grundlegend Neues entwickelt, das dem gewandelten Bewusstsein der Menschen jetzt und vor allem in Zukunft (junge Generation) viel eher entspricht?

Wir wollen – verdeutlicht an einem Beispiel - zuspitzen:

·       Welche größere Genossenschaft (insbesondere Banken) z.B. lädt ihre Mitglieder regelmäßig zum Informations-Austausch bzw. zur „Mitglieder-Qualifizierung“ oder zumindest zu „Mitglieder-Befragungen“ ein?

Wir wollen das nicht vertiefen, lediglich fragen:

·       Welches „Menschen-Bild“ repräsentiert diese Situation wirklich?

Der dafür wohl passende Satz könnte – neutral formuliert – wohl so lauten:

·       Wir (Verbände, Vorstände, Funktionäre) - „die Auserwählten“ (oder „Ausgewählte“) - wissen, was für euch („Ahnungslose“) richtig, wichtig bzw. angemessen ist. ...

Vergegenwärtigen wir uns diese Situation, dann sind darin viele Elemente enthalten, die möglicherweise vor 200 Jahren (Raiffeisen, Schulze-Delitzsch) angemessen waren:

·       Die meisten Menschen befanden sich in einer Art „Hilfsbedürftigkeit“, waren (scheinbar) unfähig, ihre Interessen selbst zu definieren und zu vertreten.

Nicht unwichtig zu erwähnen, dass auch die Rolle der Religionen/Kirchen hierzu ihren Beitrag geleistet hat. …

Nicht von ungefähr war der Beruf des Herrn Raiffeisen, der eines Pfarrers. …

Es lohnt sich wirklich, seine Schriften genauer – bezogen auf sein „Menschen-Bild“ anzuschauen. …

Begriffe wie: „Selbstbewusstsein“, „Selbstvertrauen“, „Selbstverantwortung“, die das Prinzip „Selbstorganisationswesen“,  durchaus (theoretisch) prägten, wurden aber selten wirklich gelebt. …

Es gab „Genossenschafts-Führer“ und „Genossenschafts-Geführte“. Ein Bild von „Oben“ und „Unten“ durchzieht die Denke der sog. „Raiffeisen-Periode“.

Ist es wirklich überraschend, wenn zwischen „Genossenschafts-Verbands-Funktionären“ und einer „Führer-Ideologie“ wenig Dissens bestand? …

Das damals (1934) eingeführte staatliche Kontrollsystem über Genossenschaften, wurde nicht nur nach 1945 beibehalten, sondern wird bis heute, mehr oder weniger intensiv – und unreflektiert - „gepflegt“. …

Auch das „Menschen-Bild“ der Genossenschafts-Idee der heutigen Zeit, wäre eigentlich dringend zu erforschen. Trotz sog. Genossenschafts-Institute an zahlreichen Hochschulen und Universitäten, hat es bisher überraschend wenig Innovatives gegeben. Es lohnt sich deshalb, der Frage nachzugehen:

·       Wer finanziert solche/diese Institute?

Eine solche Recherche könnte sehr wahrschinlich zeigen, warum das „erforschte“ Ergebnis kaum anders sein konnte, als (immer noch) real vorfindbar

Wer wirklichdas Thema „Kooperation“ – und darum geht es ja bei Genossenschaften eigentlich – offen und innovativ erforschen will, muss damit beginnen, eigenständige Curriculas für „Kooperations-Wissenschaften“ aufzubauen. …

Würde man unter solchen „Kriterien“ eine Messlatte auf wesentliche Teile des deutschen genossenschaftlichen Selbstverständnisses legen, bestehen Zweifel, ob noch viel übrig bliebe von dem, was man als (zukunftsfähiges) Genossenschaften bezeichnen würde. …

Das „Genossenschaften“ scheint zu einer Art „Rechtsform-Legitimation“ im Vergleich zu GmbH, AG, etc. „verblichen“ zu sein. Es wird das (von Geno-Verbänden) „gelehrt“, was analog von Anwälten oder Steuerberatern bezüglich anderer Rechtsformen, „verbreitet“ wird. Nimmt man die Themen „Recht“ und „Steuerrecht“ aus dem Beratungskontext der Verbände heraus, ist folgende Frage berechtigt:

·       Was wäre die (genossenschaftliche bzw. kooperative) „Spezial-Kompetenz“, die dann noch bliebe?

Es reicht heute nicht (mehr) aus, lediglich solcher Art Auskunft geben zu können wie:

·       Dies ist eine Satzung …

·       So siejt eine Geschäftsordnung aus …

·       So sollte man ein Protokoll schreiben …

·       Diese „Protokolle/Unterlagen, etc.“  werden „geprüft“, usw.

Eine Menge „historischer Papierkram“ wird „abgehakt“, aber wie sieht eigentlich die Zukunftsfähigkeit, das „Kooperative Erfolgs-Gen“ dieser Genossenschaft aus?

Vereinfacht gesagt, könnte man es vielleicht so formulieren:

·       Wie stark ist die „Kooperative Wirk-Energie“ hinter den Zahlen

Daß „Menschen“ in solchen „Konstrukten“ die wesentliche Rolle spielen sollten, ist eigentlich nachvollziehbar. Die folgende Frage ist deshalb entscheidend:

·       Wie sieht ein modernes „Management des WIR“ aus, um den augenscheinlichen „Gruppen-Vorteil“ real in Wirkung zu bringen?!

 

Aber eine Management-Theorie ohne Bezug auf diese besonders (vorteilhafte) Situation (Synergie von MENSCH und STRUKTUR), klingt heute recht „oberflächlich“, zumindest nicht professionell“.

Das wichtigste WIRKRAFT-Element, der teilhabende „Mensch“ ist quasi zu „Nebensache“ degeneriert. …

Die sog. „Prüfungsberichte“ sind eher „Aneinander-Reihungen“ von eigentlich – für die bedeutsame Zukunftsfähigkeit einer Genossenschaft - eher nachrangige „Text-Bausteine“. …

Kurzum, es fehlt z.B. eine professionelle Thematisierung der „Vorteils-Essenz“ einer Genossenschaft:

·       Wege zur Steigerung der Mehrwertfähigkeit des Unternehmens Genossenschaft. …

Denn genau das ist die Grundlage für eine attraktive Förderwirtschaft zugunsten der Mitglieder, basierend auf der Wirksamkeit von „Kooperation der Teilhaber“.

Wer nach „Mehrwert“ durch verbandliche (Pflicht-) Mitgliedschaft fragt, wird (noch) als „Querulant“ abgetan. …

Aber diese „Querulanten“ haben meist ihre nachvollziehbare Berechtigung:

·       Sie legen den Finger in die inzwischen recht tiefe „Wunde“ zahlreicher Genossenschaften, mit Namen (erwünschte) „Passivität der Mitglieder“ …

Dies betrifft natürlich auch die genossenschaftlichen Banken, die gern verdrängen, dass man mit „Förderwirtschaft“ sozusagen „den Unterschied“ sichtbar machen könnte. …

Stattdessen orientieren sie sich – mit zufriedenem Gesicht – daran, als Imitate der „Geschäftsbanken“ wahrgenommen zu werden. …

„Ver-rückte“ Welt – oder, wenn „Mitglieder-Banken“ darauf „schielen“, den sinnvollen „WIR-Faktor“ zu reduzieren. …

Das hätte selbst „Raiffeisen“ wohl nicht gewollt; seine „Jünger“ fallen sogar noch hinter den Namensgeber zurück (in die Zukunft) …

Das alles hat eine Tradition, ist sozusagen diese Tradition, in der das (alte) (Raiffeisen-)Menschenbild bis heute gern hofiert und gepflegt wird. …

Während auf der einen (eher konkurrenzwirtschaftlichen) Seite, über „Entrepreneurship“ und „Potenzialentfaltung“ innoviert wird, gibt es bezüglich einer neuen Kooperations-Gesellschaft aus „Genossenschafts-Sicht“ eher „Langeweile“ oder gar „Fehlanzeige“….

Das (alte genossenschaftliche) Prinzip „Führer und Geführte“ – wir wollen das mal Genossenschaft 1.0 nennen, ist eindeutig überholt. Wir müssen uns davon verabschieden, dass „Tradition“ per se „Wert“ hätte. …

·       Genossenschaft 2.0 ist jetzt angesagt. …

Gerade für die (neue) Jugend ist es nicht unwichtig, erfahren zu können, dass „Genossenschaft der Zukunft“ auch gänzlich ohne „Raiffeisen- und Schulze-Delitzsch-Idylle“ möglich, sogar wichtig und sogar „richtig“ ist!

Es wird Zeit, dass – besonders an die „Wirtschafts-Jugend“ – die „Botschaft“ ergeht:

·       Baut die neuen Genossenschaften – mit, für und durch – die teilnehmenden MENSCHEN!

·       Vertraut eurem gesunden Menschenverstand und lasst euch nicht von Verbänden und alten Theorien irritieren!

Beginnt – kooperativ – völlig neue Ideen – gepaart mit -  eure eigenen Erfahrungen  „abzubilden“, auszuwerten und darüber (öffentlich) zu berichten!

Warum dafür nicht auch die dazu passende „Verbandsstruktur“ – sofern man das (noch) benötigt:

·       Selbst aufbauen,

·       Selbst zut gestalten und

·       die (eigenen) neuen Erfahrungen und Impulse in und für eine (menschliche) „Kooperations-Gesellschaft“ zu veröffentlichen?!

Wer nicht nur über „Kooperation“ spricht, sondern den „Wandel“ wirklich anstreben bzw. realisieren möchte:

·       Muss über die „Tradition“ hinauswachsen.

Die Tradition zu kennen, ist nicht unwichtig, aber sie sollte nicht zum „Klebstoff“ werden, denn eine „Gefahr“ ist nicht ganz von der Hand zu weisen:

·       Genossenschaften können durchaus auch dazu dienen, der (alten) „schwächelnden“ Konkurrenz-Wirtschaft etwas „Lebens-verlängerung“ zu gewähren.

Aber:

·       Derzeit sind Genossenschaften (noch) die einzige Rechtsform, die - theoretisch und praktisch - entsprechend innovativ gestaltet und in Tätigkeit gebracht, zumindest den Einstieg in die neue Kooperations-Gesellschaft bedeuten kann.

Es könnte diesbezüglich viel Sinn machen, den – seit 2013 (!) vorliegenden fertigen Gesetzentwurf „KoopG“ (Kooperations-Gesellschaft, haftungsbegrenzt) - sich näher anzuschauen und als Gesetz einzufordern. …

Für viele der neuen Genossenschaften könnte das viel Sinn machen …

Fazit:

·       Eindeutig JA! Wir benötigen zeitnah eine neue, unbelastete Genossenschafts-Theorie.

·       Raiffeisen war gestern.

·       WIR bzw. CoopGo ist heute und ist ZUKUNFT …

Frage / Thema

(Wir sind ein Arbeitskreis kritischer Aufsichtsräte in Genossenschaften und beschäftigen uns mit einer „Modernisierung der Genossenschafts-Idee“)

Hier eine Art „Zwischen-Bilanz“ unseres AK:

·       Über 200 Jahre eine mehr oder weniger „verklärte“ Darstellung des Genossenschafts-Gedankens sind genug. Raiffeisen und Schulze-Delitzsch hatten zu ihrer Zeit sicherlich ihren Verdienst. Aber die Zeiten haben sich gewandelt ….

Die Anerkennung der Genossenschafts-Idee als  „Welt-Kultur-Erbe“ scheint durchaus sinnvoller gewesen zu sein, als ursprünglich gedacht. Der sog. „Bestandsschutz“ dieser einst wichtigen Grund-Idee wirkt immer mehr wie eine Art:

·       Brems-Klotz“ für eine Neu-Ausrichtung, stimmig für eine Neue Zeit.

Das gilt zumindest für Deutschland. …

Noch immer wird unterstellt, dass Genossenschaften so eine Art „Betreuungs-Anstalt“ für Menschen sein sollten, die irgendwie vom „Leben“ benachteiligt sind und die Gruppe dazu dient, scheinbare individuelle Nachteile „kollektiv“ zu kompensieren. Klar, dazu muss es auch die Mitwirkung derjenigen geben, die von sich behaupten, zu wissen, was die anderen wirklich wollen. Und so wird erwartet:

·       Dass die einen „Führen“ und die anderen sich von denen „führen“ lassen.

Das spiegelt eher ein „altes“ Gesellschaftsbild wider und hat mit so etwas wie „Potenzial-Entfaltung“ z.B. wenig zu tun. Es macht schon Sinn, wenn sich die einen (deutlich sichtbar) mit Namen der Geschichte „schmücken“. Sie sind dann „Raiffeisen-Banken“ oder „Raiffeisen-Genossenschaften“. …

Das ist keine Wertung, sondern eher eine „Haltung“. Und aus dieser Haltung fließt dann auch deren Selbstverständnis. Der Grundsatz scheint „bedeutsam“ zu sein, dass die Gruppe:

·       Strikt in „Führer“ und „Geführte“ getrennt ist und es auch bleibt. ..

Das Genossenschaftsgesetz spiegelt dieses Menschenbild derzeit deutlich wider.

Die Frage – auf den Punkt gebracht:

·       Ist die Genossenschafts-Idee in dieser Form heute noch sinnvoll oder gar begründbar und was wäre zu ändern?

    Kooperation – Ist die geniale Erfindung des nachhaltigen Vorteils!

Redaktion: Fachgruppe CoopGo–Politik des Wandels - im SmartCoop ForschungsInstitut (SCFI), ThinkTank des Bundesverbandes MMW (Spitzen- und Dachverband der Cooperations- und Genossenschaftswirtschaft) i.V.m. Experten aus Theorie und Praxis der Bereiche Genossenschaften und Kooperationen – www.Bundesverband-MMW.de – Kontakt:  gks@menschen-machen-wirtschaft.de

Unsere Berater in Genossenschaftsfragen:  CoopGo Bund Freier Genossenschaften (gw@coopgo.de)

Unser Berater für QuantenManagement: QuantenInstitut (IWMC Internationale Wissenschafts-u. MedienCooperation) und seine diversen Fachgruppen.

 

  

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